In der UX-Branche gilt Empathie als Grundpfeiler. Wir sollen die BedĂŒrfnisse der Nutzer:innen verstehen und in den Mittelpunkt stellen – doch wie sieht es mit der Empathie im tĂ€glichen Miteinander aus?

ErnĂŒchternde RealitĂ€t

Trotz meiner langjĂ€hrigen Erfahrung bin ich gefĂŒhlt neu in der Branche und war erst begeistert, als ich mit agilen Prozessen und benutzerzentrierten Methoden in BerĂŒhrung kam – das Wissen ĂŒber menschliche BedĂŒrfnisse und GefĂŒhle als zentralen Faktor einzubringen, war ein echter Aha-Moment.

In der Praxis erlebe ich jedoch oft, dass Kolleg:innen das GefĂŒhl vermittelt bekommen, ihre Expertise werde wenig geschĂ€tzt, wenn sie bestimmte „Prozessstufen“ nicht durchlaufen haben.


ziemlich ernĂŒchtert von der "neuen Arbeitswelt"

Wenn die ernĂŒchternde RealitĂ€t uns einholt und das UX Mindset nicht hĂ€lt, was es verspricht.

Kritische Sicht auf «Andere»

In Unternehmen setzen UX-Teams hÀufig Standards, ohne das Wissen und die Erfahrung anderer Abteilungen einzubeziehen. Solche Erlebnisse hinterlassen einen faden Beigeschmack.

Zu oft entsteht so der Eindruck, dass UX Designer andere Abteilungen als rĂŒckwĂ€rtsgewandt oder weniger fĂ€hig sehen, wenn es um ihre vielgelobten optimierten Prozesse geht. Diese Haltung kann jedoch Beziehungen schwĂ€chen und die Zusammenarbeit behindern.

ZusĂ€tzlich fordert UX Design hĂ€ufig ein, dass sich alle freudig und bereitwillig den UX-Prinzipien anschliessen – oft unterstĂŒtzt durch „Ambassadoren“, die den „UX Spirit“ ins Unternehmen tragen sollen. Doch gerade dieser Anspruch, dass sich alle vorbehaltlos an UX-Werte anpassen, kann Spannungen erzeugen und das VerstĂ€ndnis fĂŒr die Expertise anderer Bereiche schmĂ€lern.

Wenn Begeisterung zum Pflichtprogramm wird und der ‚UX Spirit‘ nicht bei allen ankommt.

Prozessitis

Ein Fokus auf immer neue Standards und Prozesse wird in meinen Augen oft der Selbsterhaltung untergeordnet, wĂ€hrend das menschliche Element und die tatsĂ€chlichen BedĂŒrfnisse aller Teams und Kolleg:innen in den Hintergrund geraten. Dabei entsteht auch der Eindruck, dass sich der Berufsstand der User Experience Designer selbst als unverzichtbar und ĂŒbergeordnet verkauft – als wĂŒrde nur durch ihre Methoden echter Mehrwert entstehen.

Ein Aufruf gegen Arroganz im UX

Durch den exklusiven Fokus auf eigene Prozesse und Standards wĂ€chst die Gefahr eines arroganten Mindsets in der UX-Branche – ein Denken, das den GrundsĂ€tzen der Empathie völlig widerspricht. Wenn wir als UX-Designer:innen anfangen, uns als die einzigen „Wissenden“ zu sehen, laufen wir Gefahr, nicht nur Nutzer:innen, sondern auch Kolleg:innen und deren Expertise abzuwerten.

Empathie fĂŒr unsere Teammitglieder – Entwickler:innen, PMs, Marketing-Kolleg:innen und alle anderen – bedeutet, ihren Input genauso ernst zu nehmen und zu integrieren wie den der User.

Gerade UX Designer:innen sollten eine integrative und inklusive Arbeitsweise vorleben, sich auf die StÀrken und das Wissen ihrer Kolleg:innen einlassen und so eine offene, respektvolle ArbeitsatmosphÀre schaffen.